Wir brauchen die Unesco nicht

Drei Jahre gibt es den „Lebendiges Kulturerbe St. Pauli e.V.“ nun schon und trotz der Pandemie ist dennoch Vieles passiert. Die Weichen für den angestrebten Antrag haben sich umgestellt und wir haben einen fast ganz neuen Vorstand. 

Die Medien waren zum Projektstart in 2018 voll davon. St. Pauli will Kulturerbe werden. Ist das richtig? Ist das falsch? Viele Persönlichkeiten in und außerhalb St. Paulis meldeten sich zu Wort und viele spannende Gespräche schlossen sich an.

Der Initiator:innenkreis musste in den ersten Wochen vor allem darüber aufklären, was ein Unesco Welterbe und was Lebendiges Kulturerbe der Unesco ist. Den Unterschied zwischen Denkmalschutz und Kulturraum. Mal so eben zu verstehen ist das nicht, wird doch allgemein bereits mit den Begrifflichkeiten eher schludrig umgegangen. 

Was ist passiert? Reisen zu Mitgliedern der Unesco-Kommission wurden unternommen, viele sehr schlaue und wirklich erhellende Gespräche geführt, auf St. Pauli unzählige Einzelgespräche mit der Kritiker:innen und Befürworter:innen geführt, Runde Tische und Austauschabende organisiert, Umfragen und Ausstellungen konzipiert und umgesetzt … und mit jedem kleinsten Schritt sind die Gespräche intensiver und die Erkenntnisse tiefer geworden. Etliche geduldige Seiten Papier wurden mit vielen Worten gefüllt. Es folgte 2019 die Gründung des Vereins mit über 40 Gründungsmitgliedern. 

Doch dann standen sie da, die lauten und unüberwindbaren Klischees.

Darf mensch sich zum Kulturraum St. Paulis Gedanken machen und äußern – also die Identität herauszufinden versuchen, ohne der organisierten Kriminalität und Prostitution eine besondere Rolle zu verleihen? Die Initiator:innen meinen: ja! Sogar unbedingt; denn nichts ist auf St. Pauli wichtiger als das andere. Das Rotlicht ist Teil des Ganzen aber nicht identitätsstiftender als der Schuster oder das Theater. So sieht es der mittlerweile von sehr vielen st. paulianischen Persönlichkeiten gegründete Verein „Lebendiges Kulturerbe St. Pauli e.V.“ – so sehen es andere aber leider nicht. 

Im Verein steckten die Menschen die Köpfe zusammen, grübelten und diskutierten und haben nunmehr entschieden, von dem Antrag Abstand zu nehmen. 

Klischees zu bedienen, sie gar zu manifestieren, um eigentlich das Gegenteil zu diskutieren und ggfs. beweisen zu wollen, erscheint allen Beteiligten als kontraproduktiv. 

Das trifft auch auf den Umstand zu, dass St. Pauli dann auf eine Länderliste käme und auch das passt nicht wirklich; denn „die wichtigste Botschaft St. Paulis lautet „internationale Solidarität“ – das klappt für mich nicht mit einer Länderliste – sondern verstellt sogar den Blick mit einer „Länderflagge“ sozusagen – und „dimmt“ das Signal…“ Eva Decker ehemaliger Vorstand, wissenschaftlicher Kopf des Antrages und die Expertin für St. Pauli Geschichte.

„Wir wollen aber immer noch den Diskurs im Viertel anregen. Wir möchten das große organisierte Engagement St. Paulis sichtbarer machen und miteinander vernetzen. Wir möchten das Bewusstsein schärfen, was für ein besonderer Ort das hier ist und welche besondere und vor allem wertvolle Art des Miteinander Lebens und „Klarkommens“ daraus entstanden ist. Ein durchaus schützenswertes Kulturgut. Heute mehr und wichtiger als vor wenigen Jahren.“ Sabrina Hirche, Vorstand 

„Und wenn wir ehrlich sind, brauchen wir die Unesco dafür nicht. Dann sind wir inoffizielles Kulturerbe. Oder eben einfach St. Pauli. St. Pauli ist eine Haltung. Das leben wir jeden Tag und eigentlich müssen wir das nur bewusst machen und niemandem beweisen.“ Stefan Sousa, Vorstand

„Also konzentrieren wir uns als Verein nun darauf, die Auseinandersetzung mit und zu diesem Kulturraum voranzutreiben, den Diskurs und die Vernetzung im Viertel zu fördern und über Projekte das ein oder andere „typisch St. Pauli“ sichtbarer zu machen.“ Julia Staron, Vorstand

So freut sich der neue – im Oktober 2021 gewählte – Vorstand (Julia Staron, Sabrina Hirche, Stefan Sousa) darüber, das Musikvideo (https://youtu.be/fhoHF9kQo5w) der Band Salamanda zu Paul McCartneys 80. Geburtstag möglich gemacht zu haben und kündigt an, dass das nun der Startschuss für vieles Weitere sein wird.

Der nächste Aufschlag des Vereins wird ein neuer, monatlich stattfindender Stammtisch sein, um weiterhin im Austausch zu bleiben! Hier sind alle Menschen willkommen, die sich dem Geiste St. Paulis verbunden fühlen. Unseren Auftakt machen wir am 

Montag, dem 29. August im Silbersack um 18 Uhr

Wir freuen uns über Anmeldung unter kulturerbe.sanktpauli@gmail.com.